Lebensversicherungen zahlen nicht mehr aus?
Gleich zu Jahresbeginn schießt die WirtschaftsWoche Online Kunden mit Lebens- und Rentenversicherungsverträgen mitten ins Herz. „Lebensversicherer stoppen Auszahlungen“ lautet die Überschrift vom 17.01.15. Im Kern geht es in dem Artikel um den Anspruch auf Anteile der Bewertungsreserven, die zuvor jedem auslaufenden Vertrag gutgeschrieben werden mussten. Das hat das Lebensversicherungsreformgesetzt (LVRG) mit Wirkung ab dem 07.08.14 neu geregelt. Erst am Ende des Beitrages weist der Autor flüchtig auf ein paar Details hin.
Leider ist mir das journalistische Erscheinungsbild der WIWO schon häufiger negativ aufgefallen. Scheinbar müssen Leser mit übertrieben reißerischen Beitragstiteln und missverständlichen Informationen auf die Onlinepräsenz der Wirtschafts-Woche gelockt werden. Hier würde ich mir von einem Auftritt mit dem Anspruch als „Wirtschaft-Informationskanal“ klare und korrekte Informationen wünschen.
Was ist falsch und was richtig?
WiWo: „Zahlreiche Lebensversicherer müssen ihre Auszahlungen teilweise stoppen.“
Das ist völliger Unsinn. Jeder Lebensversicherung liegt ein Vertrag zu Grunde. In dem Vertrag werden u.a. Verpflichtungen hinsichtlich Auszahlungen und Überschüssen geregelt. Ferner regeln Gesetze wie das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) die Pflichten der Versicherer.
Richtig ist, dass das LRVG seit dem 07.08.2014 die Verwendung der Bewertungsreserven für Lebensversicherungskunden neu regelt. Vor dem LVRG wurde seit 2008 jedem fälligen Vertrag (Vertragsablauf oder Rückkauf durch Kündigung) die Hälfte der Bewertungsreserven zum Stichtag anteilig gutgeschrieben. Das LRVG ändert an der Berechnung der Bewertungsreserven nichts. Nur die Anspruchsvoraussetzungen haben sich geändert. Durch das LVRG dürfen Versicherer die anteiligen Bewertungsreserven ihrer Kunden bei Fälligkeit nur noch gutschreiben, wenn der Versicherer die vertraglichen Mindestgarantien (Mindestverzinsung) aller Kunden einhalten kann. Um das zu gewährleisten, wird das dazu notwendige Kapital regelmäßig als Sicherungsbedarf ermittelt. Erst der Teil der Bewertungsreserven, die nicht zur Deckung des Sicherungsbedarfs benötigt wird, darf an Kunden mit fälligen Verträgen verteilt werden.
WiWo: „Ausscheidenden Kunden entgehen damit im Vergleich zu früher vier- bis fünfstellige Summen.“
Die Ankündigung von fünfstelligen Beträgen in dieser reißerischen Form empfinde ich als maßlose Übertreibung. Selbst bei einem kompletten Wegfall der relevanten Bewertungsreserven, werden Beträge in fünfstelliger Höhe (€ 10.000 und mehr) eher die Ausnahme sein. Ich persönlich habe in meiner 23-jähigen Tätigkeit keinen einzigen Vertrag gesehen, bei dem die Gutschrift der Bewertungsreserve diese Größenordnung erreichte. Selbst Beträge im vierstelligen Bereich sind nur zu finden, wenn die Verträge sehr hohe Ablaufsummen (ohne den Anteil der Bewertungsreserven) erreichen und der Versicherer für diese Verträge die Bewertungsreserve komplett streichen würde. Auch solche Verträge weichen von Durchschnittsverträgen erheblich ab. Die durchschnittlichen Beträge werden in der Masse eher im dreistelligen und niedrigen vierstelligen Bereich liegen. Ärgerlich für Kunden, aber eben keine Katastrophe, zumal solche Versicherer ohnehin eine nur dürftige Gesamtrendite für ihre Kunden erzielen.
Negative Auswirkung auf renditeschwache Versicherer
Gesellschaften, welche Schwierigkeiten haben aus den Kapitalanlagen ausreichende Erträge für den Sicherungsbedarf zu generieren, werden durch das LVRG nun gezwungen, gleich zwei betroffene Gruppen zu verprellen. Zum einen werden die Bewertungsreserven der Kunden gekürzt. Im schlimmsten Fall erhalten diese bei Vertragsende gar keine Gutschriften daraus. Auf der anderen Seite sind bei Aktiengesellschaften – noch vor den Kunden – bereits Aktionäre direkt betroffen. Das LVRG schreibt nämlich vor, dass Kürzungen für Kunden erst stattfinden dürfen, wenn zuvor der Bilanzgewinn nicht ausreicht, den Sicherungsbedarf zu gewährleisten. Die Aktionäre würden demnach dann keine Dividenden erhalten und leer ausgehen.
LVRG – Vorteile für renditestarke Versicherer
Durch das Vorschalten des Sicherungsbedarfs vor der Verteilung der Bewertungsreserven, werden renditestarke Versicherer deutlich stärker wahrgenommen. Ihre Gutschriften aus den Bewertungsreserven werden im Vergleich höher ausfallen, als bei der renditeschwachen Konkurrenz.
Damit wird die Auswahl von klassischen Altersvorsorgeprodukten stärker als bisher auf die Fähigkeit der Versicherer fokussiert, akzeptable Renditen für die Kunden zu erzielen. Kunden renditestarker Versicherer würden damit sogar von einer möglichen Begrenzung der Bewertungsreserven Vorteile erzielen.
Bewertungsreserven als Wettbewerbsmotor?
Die Änderungen zur Verteilung der Bewertungsreserven könnten den Wettbewerb der Versicherer zugunsten der Kunden anregen. Ein Renditevergleich inkl. der Gutschriften der Bewertungsreserven könnte Versicherer dazu ermutigen, künftig möglichst hohe Renditen aus den Kapitalanlagen zu erwirtschaften. Die Vorschriften zur Kapitalanlage lassen den Versicherern schon immer genügend Spielraum. Nun könnte er endlich auch genutzt werden. Das Märchen von „sicheren Kapitalanlagen“ glauben ohnehin nicht mehr viele.
Was sind Bewertungsreserven nach dem LVRG bei Lebensversicherungen?
Wichtig:
Bei der Berechnung der Bewertungsreserven geht es ausschließlich um Bilanzwerte festverzinslicher Wertpapiere. Bewertungsreserven aus Immobilien und Aktien fallen nicht darunter und werden bei der Vorschaltung des Sicherungsbedarfs nicht berücksichtigt. Diese Bewertungsreserven müssen nach wie vor fälligen Verträgen gutgeschrieben werden.
Bewertungsreserven entstehen aufgrund von Bilanzierungsvorschriften. Der Versicherer muss den jeweiligen Wert seiner Kapitalanlagen zum Jahresende in der jeweiligen Schlussbilanz erfassen. Sofern dieser Wert über dem Kaufpreis eines Anlageobjektes liegt, entsteht ein theoretischer Gewinn, welcher als Bewertungsreserve auszuweisen ist. Erst bei einem Verkauf des jeweiligen Wertpapiers wird ein existierender Wertzuwachs in einen realen Gewinn umgewandelt und nicht mehr als Bewertungsreserve erfasst.
Sehr geehrter Herr Groß,
für den Fall, dass Sie von „Bewertungsreserven“ sprechen, ist ein Rückgang um rund € 17.000 von einem Jahr auf das nächste theoretisch möglich. Allerdings kenne ich bis heute keine Vertragskonstallation, in dem diese Größenordnung nachgewiesen wurde.
Eine Bewertungsreserve von € 17.826,90 wäre möglich, wenn der Vertrag
a) bereits 20 Jahre oder länger bedient wird und
b) ein Monatsbeitrag in 4-stelliger Höhe bezahlt wird.
Ein extrem starker Rückgang der ausgewiesenen Bewertungsreserven ist nur möglich, wenn
a) der Vertrag aus der Zeit der 4%-Garantiezins (07-1994 bis 06/2000) stammt und
b) der Versicherer aktuell Überschussanteile nur deutlich unterhalb des Garantiezinses gutschreiben kann und
c) der Versicherer hochrentierliche festverzinsliche Wertpapiere verkauft hat (welche die Bewertungsreserven verursacht haben), so daß die Bewertungsreserven aufgelöst wurden (auch zugunsten der Sicherungsmittel).
Sollten alle o.g. Faktoren zutreffen, wäre ein solcher Rückgang möglich. Anderenfalls meinen Sie eventuel nicht die Bewertungsreserven !?
Ich hoffe, dass Ihnen meine Ausführungen geholfen haben.
Gruß
Frank Rindermann
Kann es sein, daß Bewertungsteuerten von 17826,90 Euro im
Vorjahr auf 837,70 Euro in diesem Jahr gefallen sind ?
Ich bitte um Bitte um Antwort .
Mit freundlichen Grüßen
J.P. Robert Groß