Riester-Rente sinnvoll oder nicht ?

Riester-Rente lohnt sich

Riester-Rente sinnvoll oder nicht?

Die Riester-Rente spaltet nicht nur die Rentensparer in zwei Gruppen. Auch Experten und Anlegerschützer sind sich nicht einig, ob die Riester-Rente Segen oder Fluch ist. Ist die Riester-Rente sinnvoll oder nicht ?

Vielfältig sind die Pro- und Contra-Argumente. So ist die Riester-Rente den einen zu teuer und die anderen betonen eine hohe Rendite wegen der staatlichen Fördermittel. Was ist denn nun wirklich dran, an der staatlich geförderten Riester-Rente ? Was sind Märchen und welche Fakten können in die Argumentation eingebracht werden ?

Gregor Gysi: „Die Riester-Rente ist ein Hohn“

Die Rede des ehemaligen Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysis (Die Linke) vor dem Bundestag im Jahr 2013 geht noch immer durch die Medien und wird auch heute noch heiß diskutiert. In seiner unverwechselbaren Brillianz legt er dar, dass die Riester-Rente schleunigst abzuschaffen sei. Sie nutze niemandem, koste dem Staat nur Geld und sei die denkbar schlechteste Variante der Altersvorsorge.

Der benutze Konjunktiv findet seine Pointen, nachdem Sie sich die Rede in dem Video angehört haben. Im Anschluss erfahren Sie, dass auch Politiker immer wieder Gesetze nicht korrekt deuten, Grundlagenwissen dessen vermissen lassen, was sie kritisieren und falsche Behauptungen einfach nur nachplappern.

Fachliche Fehler Gysis

Seine Beispielfälle weisen eine Reihe von fachlichen und sachlichen Fehlern auf. Einige finden sich leider regelmäßig auch in den Medien wieder und Riester-Gegner kolportieren sie ebenfalls gern. Ob die Riester-Rente sinnvoll ist, wird dabei nicht ansatzweise geklärt.

Fehler Nr. 1: Datengrundlagen sind intransparent und falsch

Die genannten Zahlen (Nettoeinkommen € 1.790; gesetzliche Rente € 500,00; Alter bei Beginn der Beitragszahlung in die gesetzliche Rentenversicherung = 35 Jahre) passen nicht zueinander. Es fehlen für die genannten Ergebnisse weitere Datengrundlagen. Dem Experten fallen u.a. sofort folgende Fragen ein:

  • wann beginnt die Rente der zwei Riester Sparerinnen in Beispiel 1 ?
  • haben die Damen Kinder und damit Anspruch auf Mütter-Rente ?
  • in welchem Jahr waren die Damen in Beispiel 35 Jahre alt ?
  • wie hoch war das Bruttoeinkommen der Damen in dem Beispiel ?

Wir sortieren die Datengrundlagen und rechnen nach

  • Bruttoeinkommen / Nettoeinkommen

Um mit 67 Jahren eine gesetzliche (Brutto)Rente in Höhe von € 500,00 zu erhalten, für die erstmalig mit dem 35. Lebensjahr Rentenversicherungsbeiträge gezahlt wurden, muss in 32 Beitragsjahren monatlich durchschnittlich rund € 1.562,00 Bruttoeinkommen erzielt werden. Gysi sprach jedoch von einem Nettoeinkommen, dass € 1.790 betragen haben soll. Das Bruttoeinkommen – von dem die Beiträge für die Rentenversicherung berechnet werden – muss also deutlich höher sein, wie gleich gezeigt.

  • zu erwartende Rentenhöhe

In Steuerklasse 4 (verheiratet, 1 Kind) liegt bei dem o.g. Nettoeinkommen von € 1.790, das Bruttogehalt bei ca. € 2.735. Daraus würde sich eine Rente von rund € 875,00 ergeben.

In Steuerklasse 2 (alleinerziehend mit Kind) beträgt das Bruttoeinkommen etwa € 2.630,00, die Altersrente daraus rund € 841,00.

Fazit Fehler 1: Riester-Rente sinnvoll oder T-Shirts?

In Gysis Beispiel 1 mit den zwei Damen liegt die tatsächliche gesetzliche Altersrente irgendwo zwischen € 841,00 und € 875,00; also deutlich oberhalb der Grundsicherung, die Gysi mit € 707,00 (Stand 2013) angibt. Da eine der Damen aus ihrem Riester-Vertrag eine zusätzliche monatliche Rente in Höhe von € 140,00 bekommt (wir nehmen den Betrag einmal als korrekt an), verfügt sie über insgesamt rund € 1.000 Renteneinkommen. Die andere Dame , die sich möglicherweise auf Gysis Rechnung verlassen hat, hat kein zusätzliches Einkommen aus einem Riester-Vertrag. Wäre nicht doch eine Riester-Rente sinnvoll gewesen oder eher ein Schrank voller alter T-Shirts ?

Fehler Nr. 2: Riester-Rente mit „irrsinniger Lebenserwartung“

Es ist nur logisch vorauszusetzen, dass die Investition nur lohnt, wenn mehr Kapital aus dem Vertrag entnommen werden kann, als bis Rentenbeginn eingezahlt wird. So weit ist die Aussage Gregor Gysis in Ordnung.

Je länger die Lebenserwartung ab Rentenbeginn ist, desto mehr Kapital kann aus Rentenversicherungen entnommen werden. Wer lange lebt, entnimmt u.U. deutlich mehr, als er eingezahlt hat. Wer früher stirbt, als die Statistik ausweist, macht eher ein schlechtes Geschäft unter diesem Gesichtspunkt. Ein Lebensalter von 80 oder 90 Jahren bezeichnet Gysi als „irrsinnige Lebenserwartung“. Ein Alter von 128 Jahren ist da schon eher unrealistisch; da gehe ich gern mit ihm konform.

Dass er die Lebenserwartung mit gewünschten Beitragsrenditen in Verbindung bringt, führt uns später zu seinem Fehler Nr. 3.

Die Realität sieht anders aus

Die durchschnittliche Lebenserwartung deutscher Männer und Frauen steigt kontinuierlich an. Es gibt dazu unterschiedliche Statistiken, die sich in der Restlebenserwartung je Geburtsjahrgang unterscheidet. So gibt es die Sterbetafel 2010/12 des Statistischen Bundesamtes oder die Sterbetafel der deutschen Aktuarvereinigung (DAV 2004 R), welche die deutschen Lebens- und Rentenversicherungen für Ihre Rentenkalkulationen nutzen. Nach der Sterbetafel 2010/12 wird eine heute 37-jährige Frau statistisch fast 86 Jahre alt. Nach der DAV 2004 R der Rentenversicherungen sogar 99 Jahre alt. Betrachten wir die unterschiedlichen Ergebnisse, so stellt auch der Laie schnell fest, dass die durchschnittliche Lebenserwartung bei Frauen eher bei 90 Jahren liegt; mit steigender Tendenz in der Zukunft.

Fazit Fehler 2: Gysi hat`s nicht so mit Zahlen

Es ist fraglich, ob Gysi versteht, wie die Zahlen zustande kommen. Ob die Interpretation des von ihm genutzten Datenmaterials seinem Hirn entstammt, muss bezweifelt werden. Ist es Gysis eigene Meinung, dass eine Lebenserwartung von 80 oder 90 Jahren für eine heute 35 bis 45-jährige Frau „irrsinnig“ sei. Genau dieses Alter erreichen nämlich aktuell Frauen im besten Alter durchschnittlich in Deutschland. Ganz gleich, welche Statistik dazu befragt wird. Hieran die Frage zu knüpfen, ob eine Riester-Rente sinnvoll sei, führt an dem Ziel einer lebenslangen Altersrente vorbei.

Fehler Nr. 3: Renditen verlängern die Amortisationszeit ?

Nach Gysis Rechnung muss eine Frau, die 2003 mit 35 Jahren eine Riester-Rente begonnen hat, fast 80 Jahre alt werden, um Ihre eingezahlten Beiträge in Form von Rentenzahlungen zurück zu erhalten. Oder gar 90 Jahre, wenn Sie auf Ihre Beiträge 2,5 % Rendite wünsche. Wünsche sich die Dame eine Rendite von 5% p.a. müsse sie 128 Jahre alt werden, bis sie ihr Geld zurück hätte. Nicht die benötigte Lebenserwartung ist hier „irrsinnig“, sondern die Art seiner Rechnung.

Kapitalgedeckte Altersvorsorge erwirtschaftet Renditen auf die eingezahlten Beiträge. In der Riester-Rente sind die Beiträge und die staatlichen Zulagen zum Rentenbeginn sogar garantiert. Mit jedem Euro Zulage steigt somit die Rendite auf die Beiträge. Mit jedem Prozent Kapitalrendite (Verzinsung u.ä.) steigt die Rendite auf die eingezahlten Beiträge zusätzlich. Im Ergebnis steigt dadurch das Vertragskapital und somit die Höhe der Rente ab Beginn der Rentenzahlung.

Welchen Taschenrechner Gysi benutzt, um darauf zu kommen, dass eine Rendite von 5% im Riester-Vertrag dazu führt, dass die Riester-Sparerin 128 Jahre alt werden muss, um Ihre Beiträge in Form von Rente zurück erhalten zu haben, bleibt sein Geheimnis.

Hätte Gysi einfach nur seinen gesunden Menschenverstand benutzt, wäre er möglicherweise darauf gekommen, dass eine Rendite von 5% auf die eingezahlten Beiträge bewirkt, dass die Höhe der Rente ab Beginn steigt (weil mehr Kapital im Vertrag verrentet wird) und somit die „Rückzahlung“ der Beiträge schneller erfolgt, als ohne Rendite.

In der Grafik ist deutlich zu erkennen, dass mit steigender Rendite die Rentenhöhe steigt. Die Rückzahlung der gezahlten Beiträge wird durch höhere Renten also verkürzt und nicht – wie von Gysi behauptet – verlängert. In dem Beispiel oben ist es nicht einmal wichtig, wie viel Riesterzulagen in den Vertrag fließen oder wie hoch die Renten tatsächlich ausfallen. Der Effekt bleibt derselbe.

Fehler Nr. 4 – Grundsicherung und Wohneigentum

Gysi erwähnt in seiner Rede, dass ein Bezieher von Grundsicherung im Alter keine Eigentumswohnung besitzen dürfe. Die Frage aufzuwerfen, ob eine Riester-Rente sinnvoll sei, wenn man eine mögliche Grundsicherung in weiter Zukunft für möglich halte, konterkariert die Motivation für die private Altersvorsorge. Wer sich Wohneigentum anschafft, plant keine Altersarmut mit Grundsicherung.

Fazit Fehler Nr. 4: Lücken in Gesetzesgrundlagen

Bei der nicht erlaubten Eigentumswohnung irrt der Gregor und hätte vor der Rede lieber gesetzliche Grundlagen recherchieren sollen. Eine angemessene Eigentumswohnung führt nicht zu einer Ablehnung von Grundsicherung im Alter. Die Angemessenheit bezieht sich hierbei auf die Wohnfläche und die Anzahl der Personen, die Grundsicherung beantragen.

Riester-Rente sinnvoll und lohnt sich doch

Wenn auch die Riester-Rente – vor allem das Riester Gesetz – noch immer verbesserungswürdig ist und auch bürokratische Knoten noch zu entwirren sind, so gilt:

Jede staatliche Förderung, welche einem Rentenbezieher mehr an zusätzlichem Alterseinkommen ermöglicht, als ohne Förderung, macht Sinn. Das Argument, dass Riester-Renten auf die Grundsicherung angerechnet wird, ist wenig stichhaltig. Gern wird dabei vergessen, dass jede Form von Einkommen und Vermögen auf die Grundsicherung anzurechnen ist. Und wie die Grundsicherung oder die gesetzlichen Voraussetzungen zur Anrechnung von Einkommen und Vermögen in 10, 20 oder 30 Jahren geregelt sein werden, weiß mit Sicherheit heute niemand.

Es gibt in der Realität nur wenige Menschen – oder besser Lebenssituationen – bei denen eine Riester-Rente nicht angeraten ist und besser auf andere Vertragsarten gesetzt werden sollte. Für die Mehrzahl der Förderberechtigten, sollte die Entscheidung ausschließlich die Wahl des richtigen Riester-Tarifes betreffen und nicht, ob ein Riester-Rente sinnvoll ist.

Altersvorsorge mit Riester-Förderung ist in den meisten Fällen kein Hohn, sondern sinnvoll. Es gibt dabei nur schlechte Riester-Tarife, die es zu meiden gilt. Zum Glück gibt es eine Reihe sehr guter Riester-Tarife, die ihren Zweck erfüllen:

Lohnende Altersvorsorge mit staatlicher Unterstützung und stattlichen Renditen.


Wir prüfen für Sie, ob Ihr Riestervertrag lohnt oder ob ein Wechsel des Tarifes Sinn machen könnte. Wir beraten Sie auch bei der Auswahl Ihres ersten Riestervertrages. Nehmen Sie Kontakt mit uns auf.


6 Meinungen zu “Riester-Rente sinnvoll oder nicht ?

  1. Fred sagt:

    Na, wenn da nicht die nachgelagerte Versteuerung wäre. Ab 2040 volle Versteuerung der Riester Rente. Bei Zusammenveranlagung mit einem Ehepartner werden dann wohl die >Probleme noch deutlicher hervortreten.

    • Frank Rindermann sagt:

      Alle Renten werden schon immer besteuert. Das ist soweit nichts Neues. Die Höhe der Besteuerung sollte niemals ein alleiniges Kriterium für eine Produktentscheidung sein.
      Solange der Staat die private Altersvorsorge in Form von Steuerersparnissen in der Sparphase fördert oder direkte Förderbeträge in die Verträge führt, ist es legitim und nicht verwerflich, in der Rentenphase die Renten zu besteuern.

      Ein solches „Problem“ ist insoweit kein spezifisches Problem der Riester-Renten.

  2. Lutz Birke sagt:

    Sauber argumentiert. Keine Polemik. Fachlich seziert. Auch wenn fraglich ist, ob ein medial seit Jahren verunsicherter Verbraucher so tief in die Argumentation eintauchen wollte oder könnte. Immerhin rechtfertigt das dann weiterhin unseren Job.
    Klasse, vielen Dank für die gemachten Mühen.

  3. Frank Rindermann sagt:

    Danke Herr Wehrle, ich bin auch der Meinung, dass jede weitreichende Entscheidung fachlich detailliert beraten und entschieden werden sollte. Das ist unsere Aufgabe als Versicherungsmakler … und tägliche Praxis 🙂

  4. Bernhard Wehrle sagt:

    Ein fachlich objektiver Beitrag, der beiden Seiten zum Lesen ausdrücklich angeraten werden kann.
    Wie so oft im Leben ist die Entscheidung für ein Produkt erst nach Kenntnis aller individuellen Prämissen, Wünsche und Bedürfnisse möglich.
    Wenn man dann noch einen Versicherungsmakler an seiner Seite hat, der einem fundiert (Fachwissen) das Ganze auf die eigene Lebenssituation mit allen Vor- aber auch Nachteilen erläutert – dann ist die eigene Entscheidung für/gegen Riester objektiv möglich.

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