Taping entmündigt Bürger
Taping, also die Audioaufzeichnung von Telefonaten, ist seit dem 01.08.2020 ungeliebte Pflicht für Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater mit Berufszulassung nach § 34f und § 34h Gewerbeordnung. So verlangt es die EU-Finanzmarkt-Richtlinie MIFID II. Diese Pflicht galt bisher seit 2018 nur für telefonische Beratungen durch Banken.
Nun müssen z.B. Investmentberater wie ich, alle telefonischen Gespräche mit Kunden und neuen Interessenten, die in irgendeiner Form als Beratung ausgelegt werden könnten, aufzeichnen und speichern.
Unsinnige Vorschrift behindert Arbeit der Berater
Wie unsinnig und fern der Realität der täglichen Arbeit eines Finanzdienstleisters auch diese Vorschrift aus Brüssel ist, möchte ich hier kurz beschreiben.
Dass die Entscheider in Brüssel von Finanzdienstleistung im Allgemeinen und von der täglichen Arbeitspraxis mit Kunden und Interessenten im Besonderen nicht die leiseste Ahnung haben, wurde inzwischen durch zahlreiche Bürokratiemonster eindeutig dargelegt.
Unter dem Deckmantel eines angestrebten Verbraucherschutzes, wird versucht, vor allem den freien, selbstständigen Finanzberatern das Leben möglichst schwer zu machen.
Seit Jahren wird in der Branche darüber diskutiert, dass ein Finanzdienstleistungskunden letztendlich in keiner Form durch diese Bürokratiemonster aus Brüssel geschützt werden. Das Gegenteil ist der Fall. Der Kunde wird entmündigt, gegängelt und für dumm gehalten.
Ich halte es sogar für möglich, dass die starke Lobby der Banken in Brüssel genau dafür sorgen möchten. Bankkunden sind leichte Beute für Banken. Freie, unabhängige Berater stören dabei und entziehen den Banken zu viele Kunden und damit zu viel Geschäft.
Immerhin ist der technische und administrative Aufwand für eine große Bank leichter zu stemmen, als für kleine Beratungsunternehmen oder gar freie Einzelkämpfer wie mich.
Aber zurück zum Taping-Problem.
Ohne Taping keine Beratung
Stellen Sie sich vor, Sie sind mein Kunde und rufen mich im Büro an, weil Sie etwas über Ihr Investmentfonds-Depot wissen möchten, welches ich für Sie schon vor Jahren konzipiert habe und bis heute aktiv betreue. Sie wollen gern weitere € 10.000 im Depot anlegen und möchten wissen, welche Fonds wir dafür auswählten sollten.
Als langjähriger Kunde, werden Sie kaum etwas dagegen haben, wenn ich unser Telefonat aufzeichne. So weit, so gut.
Was aber, wenn Sie ein Interessent sind, dem ich z.B. für die Beratung zu einem Investment-Depot empfohlen wurde? Sie rufen mich also an und bitten um Auskunft, wie ich für Sie ein Kapital von € 50.000 in einem Fonds-Depot anlegen würde und was dazu notwendig wäre.
Zu allererst muss ich Ihnen mitteilen, dass ich unser Telefonat aufzeichnen und speichern muss, wenn wir uns darüber unterhalten wollen.
Ihre Reaktion? Sie fragen mich, warum das notwendig sei. Sie wollen doch vorab nur eine Auskunft, damit Sie entscheiden können, ob ich der richtige Berater für Sie bin. Übrigens eine Reaktion, die ich genauso bereits mehrfach in einer solchen Situation erlebt habe.
Ich erkläre also:
Noch bevor ich mit der eigentlichen Beratung beginnen dürfte, muss ich Ihnen erst einmal ein paar Dinge zu mir, meinem gewerberechtlichen Status und meiner Arbeitsweise erzählen. Das ist gesetzliche Vorschrift; in Brüssel erdacht.
Dann ist es meine Pflicht – ebenfalls gesetzlich vorgeschrieben und richtig, auch das kommt aus Brüssel – Sie über Ihre Kenntnisse, Erfahrungen, über Ihre Einkünfte, Ihre Schulden und über persönliche Anlageziele und Präferenzen auszufragen und dieses vorschriftsmäßig zu dokumentieren. Erst dann darf ich gezielte Vorschläge für Ihre gewünschte Anlage machen.
Und das ist noch nicht alles. Sie müssen mir die gesamte schriftliche Dokumentation aller gestellten Fragen, Ihrer Antworten und das Ergebnis darauf unterschreiben. Erst dann kann ich für Sie ein reales Investmentfonds-Depot anlegen.
Es könnte gut sein, dass Ihnen dieser Aufwand im Vorfeld viel zu groß ist. Sie verstehen durchaus, dass Ihre Daten und alle Beratungsschritte zu dokumentieren sind. Immerhin gibt Ihnen das eine rechtliche Sicherheit, dass die Beratung genau wie dokumentiert abgelaufen ist. Im Zweifelsfall können Sie damit alles Belegen, was ich Ihnen erzählt habe und welche Informationen Sie tatsächlich erhalten haben. Das ist durchaus sinnvoll.
Aber schon im ersten Telefonat persönliche Daten abfragen, über Einkommen und Verbindlichkeiten, Ziele, Wünsche und Vorstellungen sprechen? Und alles wird aufgezeichnet und für die Ewigkeit gespeichert? Nein, dann doch lieber nicht.
Sie bitten also darum, das Gespräch nicht aufzuzeichnen und im Moment noch nicht so viele persönliche Daten abzufragen.
Ich müsste Ihnen mitteilen, dass ich dann aber das Gespräch abbrechen muss. Die Taping-Vorschrift aus Brüssel will es so.
Sie finden die Taping-Vorschrift auch unsinnig? Es kommt noch schlimmer!
Selbst wenn wir beide darin übereinkommen, das Gespräch am Telefon nicht aufzuzeichnen und auch die vorgeschriebene Dokumentation mit der Datenerhebung später nachzuholen, wäre das nicht möglich.
Würde ich mich als Finanzdienstleister und Investmentberater darauf einlassen und könnte ich – auch Jahre später – nicht nachweisen, dass Ihre Beratung den Vorschriften entsprach, wäre ich für jeden Ihnen entstandenen Schaden haftbar zu machen. Selbst dann, wenn dieser nicht einmal direkt auf meine Beratung beruht.
Nicht nur das. Ich müsste Ihnen den Schaden aus meiner privaten Tasche bezahlen, da meine Berufshaftpflichtversicherung dafür nicht aufkommt, wenn keine vorschriftsmäßige Dokumentation erstellt wurde. Weiterhin würde die Aufsichtsbehörde mir meine Berufszulassung entziehen.
Selbst wenn Ihnen kein Schaden entstanden ist und unsere Zusammenarbeit jahrelang erfolgreich verläuft. Bei einer Stichprobenkontrolle der Aufsichtsbehörde könnte ich keine Taping-Aufzeichnung zu Ihrer Beratungsdokumentation vorlegen. Auch das würde zum Verlust meiner Berufszulassung führen. Ich dürfte nie mehr als Finanzberater arbeiten und müsste meine Firma aufgeben.
Bürokratie entmündigt Bürger und verhindert gewünschte Kundenberatung
Unser Telefonat wäre also beendet. Die von Ihnen gewünschte Beratung kommt wegen bürokratischer Vorschriften nicht zustande. Selbst wenn Sie ausdrücklich auf die Aufzeichnung des Telefonats verzichten würden. Ein Verzicht auf das Taping ist gemäß der Taping-Vorschrift nicht möglich. Ich hätte keinen Neukunden von meiner Dienstleistung und meiner Expertise überzeugen können.
Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Sie Ihre Kapitalanlage selbst in die Hand nehmen. Dann besteht für Sie das Risiko Fehler zu machen. Immerhin sind Sie Laie und haben möglicherweise nur Zugang zu fehlerhaften Halb-Informationen aus dem Internet oder aus sogenannten Verbraucherzeitschriften. Sie könnten viel Geld verlieren. Oder Sie erzielen über Jahre nur eine magere Rendite für Ihr Geld.
Im schlimmsten Fall gehen Sie zu jemanden, der es mit den Vorschriften nicht so genau nimmt. Was dann passieren könnte, muss ich hier nicht weiter ausführen.
Fällt die Taping-Vorschrift in MIFID II demnächst?
Die MIFID II-Richtlinie soll demnächst überarbeitet werden. Die Vermittlerverbände AfW und Votum versuchen die Taping-Vorschriften realitätsgerechter zu gestalten.
Ob es gelingt, die Taping-Pflicht komplett zu streichen, halte ich persönlich für unwahrscheinlich. Ob es wenigstens dazu kommt, dass ein Kunde/Interessent ausdrücklich auf das Taping verzichten kann, muss abgewartet werden.
Es würde mich wirklich wundern, wenn die Lobbykraten in Brüssel den Unsinn der Taping-Vorschriften erkennt.
Grundsätzlich stimme ich zu, daß Taping absoluter Nonsens ist. Aber solange man keine individuellen konkreten Empfehlungen für den Kunden abgibt, darf man sich auch ohne Taping am Telefon darüber unterhalten, warum gerade ich der vom Kunden favorisierte Berater sein könnte. Das verstehen die Kunden, die bei mir anrufen. Konkrete Empfehlungen gibt es allerdings nur per Mail, wenn die Kunden vorher den Analysebogen ausgefüllt zugesandt hat.
Danke für Ihren Kommentar, Herr Kollege.
Eine Vorbereitung zu einer Beratung oder allgemeine Fragen zum möglichen Ablauf derselben, ist ohne Taping natürlich möglich.
Bei mir werden jedoch in der Regel vom anrufenden Interessenten bereits im ersten Telefonkontakt schon konkrete Fragen zu einer möglichen Anlagesumme oder zu konkreten Asset Allokationen gestellt. Wollen wir gesetzestreu arbeiten, müssen wir schon hier auf das Taping verweisen.
Genau das kann eben dazu führen, dass das dem Interessenten schon im Vorfeld zuviel ist. Und das kann uns einen möglchen Neukunden kosten, den wir ohne Taping-Vorschrift früher fast immer gewinnen konnten.
Leider ist es noch so, dass nicht einwandfrei bestimmt werden kann, ab wann genau die Beantwortung von Fragen in eine Beratung übergeht und wann nicht. Im Zweifel verweise ich auf eine offizielle Beratung; dann eben mit Taping-Hinweis.
Grüße aus Karlsruhe