Vergleich von Zahnzusatzversicherungen in Finanztest 11-2016 mit Fragezeichen
Es ist inzwischen bekannt – leider überwiegend nur in Fachkreisen – dass Finanztest für seine Vergleiche und Bewertungen von Versicherungsprodukten mit eklatanten Lücken an Fachwissen arbeitet. Es gibt inzwischen im Web eine große Anzahl von Veröffentlichungen von Fachkollegen die darlegen, wie fehlerhaft und gefährlich diese „Vergleiche“ von Finanztest bisher waren.
- Finanzmakler Frank Rindermann zum Test von PKV-Tarifen 2014 „Finanztest PKV Vergleich – Faules Osterei“
- Versicherungsmakler Sven Hennig zum Test von PKV-Tarifen 2014 „Wir machen das mit den Würfeln“
- Versicherungsmakler Matthias Helberg zum Test von BU-Tarifen 2013 „Avanti-Dilettanti“
Finanztest Bewertungskriterien oberflächlich – mit Methode?
Die Bewertungskriterien von Finanztest sind auch im aktuellen Test von Zahnzusatztarifen zu bemängeln. Bei genauer Betrachtung diese Kriterien erhält man möglicherweise eine Antwort auf die Frage, warum in der Regel eine große Vielzahl der getesteten Tarife mit sehr guten Noten abschneiden.
Kennt man das lukrative Geschäftsmodel von Finanztest – der Verkauf der bekannten „Finanztest-Siegel“, für deren werbewirksame Nutzung die Versicherer bis zu € 10.000 (bei TV-Werbung € 25.000) an regelmäßigen Lizenzgebühren bezahlen – kann der Verdacht entstehen, dass die oberflächlichen Testkriterien Methode haben. Je mehr „sehr gute“ Tarife aus dem Test hervorgehen, desto mehr Versicherer werben mit dem Testsiegel für ihre Produkte. Das spült jährlich Millionen in die Kassen von Finanztest.
Die Kriterien im Vergleich von Zahnzusatzversicherungen
In seiner aktuellen Ausgabe 11-2016 hat Finanztest – nach 2014 – wieder einen Vergleich von Zahnzusatzversicherungen veröffentlicht. Es soll hier nicht im Detail auf kompletten Vergleich eingegangen werden. Wir möchten anhand des Testsiegers aufzeigen, wie gefährlich es für Verbraucher sein kann, den Aussagen und Empfehlungen von Finanztest zu folgen.
„Leser der Testsiegel-Promotion-Vergleiche von Finanztest könnten böse Überraschungen erleben !“ (Frank Rindermann)
Finanztest hat 4 beispielhafte Behandlungsfälle zugrunde gelegt und berechnet, wie hoch die Erstattung im jeweilig geprüften Zahntarif gewesen wäre. Die Leistungen der Tarife wurden dabei nach Erstattungskategorien eingeteilt und unterschiedlich gewichtet. So wurde z.B. der private Erstattungsanteil der Zahnarztrechnung mit 40% gewichtet. Die Erstattung für Inlays mit 25% und die von Implantaten mit 15%.
Der neue Testsieger … ist der alte Testsieger
Insgesamt sollen 209 Tarife verglichen und bewertet worden sein. 66 Tarife erhielten von Finanztest ein „sehr gut“. Testsieger wurde der Tarif „Zahnschutz Exklusiv“ der Deutschen Familien Versicherung (DFV) im Bereich der Tarifekalkulation mit reinen Risikobeiträgen.
Bemerkenswert ist, dass Finanztest bei dem DFV-Tarif auf identische Bewertungsergebnisse kommt, wie im Vergleich von Zahnzusatzversicherungen der Finanztestausgabe 05-2014. Der Tarif aus dem Jahr 2014 wurde per 30.09.16 geschlossen. In beiden Tests erhielt der DFV-Tarif eine Note von „sehr gut – 0,5“. Auch die Teilbewertungen für Regelversorgung, Privatversorgung, Inlays und Implantate sind mit „++“ komplett identisch.
Testsieger trotz schlechterer Leistungsbedingungen
Die Leistungsübersicht sieht auf den ersten Blick vielversprechen aus.
Auszug „Tarifblatt“ für die Zahnzusatzversicherung DFV – „Zahnschutz Exklusiv“ in der Fassung vom 01.05.2016
- Zahnerhalt: 100 %
- Zahnersatz inklusive Zahnimplantat: 100 %
- Kieferorthopädie: 100 %
- Zahnprophylaxe – je Versicherungsjahr: 100 Euro
Wichtig zu wissen ist, dass der aktuelle Tarif der DFV „Zahnschutz Exklusiv“ mit dem Tarifstand 05-2016 gegenüber seinem Vorgängertarif (Stand 2014) in seinen Leistungsbedingungen wie folgt verändert wurde:
- erhöhte Leistungen für Kieferorthopädie:
- 100 % – unbegrenzt in KIG 3-5
- (Tarif 2014: 100 % – bis max. € 1.000 in KIG 3-5).
- geringere Leistungen für Prophylaxe:
- 100 % – max. € 100 p.a.
- (Tarif 2014: 100 % – max. 2x p.a. je max. € 80).
- geringere Leistungen für Implantate:
- max. 1 Implantat je Kalenderjahr;
- max. 2 Implantate je Kalenderjahr, wenn im Vorjahr keine Implantatsleistungen erstattet wurden;
- 5 Stück je Kiefer .
- (Tarif 2014: keine Begrenzungen; unbegrenzte Anzahl Implantate)
Die Leistungsverbesserungen für kieferorthopädische Leistungen fallen bei entsprechenden Kunden kaum ins Gewicht, da bei der genannten Indikation KIG 3-5 die gesetzliche Krankenkasse nahezu alle Kosten übernimmt.
Auch die Verschlechterung der Leistungen für Prophylaxemaßnahmen können vernachlässigt werden, da der Unterschied zum Vorgängertarif nur marginal ausfällt.
Entscheidend für diesen Artikel zum Vergleich von Zahnzusatzversicherungen in Finanztest 11-2016 ist die Bewertung der Leistungen für Implantate.
Leistungsbeispiel – Zahnersatz auf Implantat
Finanztest legt folgenden Leistungsfall zugrunde:
Im Unterkiefer ist ein Seitenzahn mit einem Implantat zu ersetzen, auf dem eine verblendete Metall-Keramik-Krone gesetzt wird. Zuvor ist ein Knochenaufbau (Anmerkung Autor: häufiger Fall) notwendig.
Hierfür setzt Finanztest Gesamtkosten in Höhe von € 3.580 an, die sich wie folgt aufteilen:
- Knochenaufbau: € 1.150
- Implantat (Materialkosten und Arzthonorar): € 1.530
- Suprakonstruktion (Krone; Material-/Laborkosten und Arzthonorar): € 900
Der Festzuschuss der gesetzlichen Krankenkasse beläuft sich in diesem Fall auf € 429.
Der verbleibende Anteil in Höhe von € 3.151, der vom Patienten selbst zu zahlen wäre, soll nun mit einer privaten Zahnzusatzversicherung deutlich reduziert werden.
Auch Testsieger haben Kleingedrucktes
Der Testsieger „Zahnschutz Exklusiv“ leistet laut Finanztest im o.g. Beispielfall den kompletten Eigenanteil. Wenn man das Kleingedruckte ignoriert. Immerhin erwähnt Finanztest dieses am Rande:
„Zusätzlich beschränken fast alle Versicherer ihre Leistungen in den ersten drei bis fünf Jahren auf bestimmte Höchstsummen.“
Wer übersieht, dass er als versicherter Kunde in diesem Tarif in den ersten Versicherungsjahren nur bestimmte Höchstsummen erstattet bekommt, wird bei einem Erstattungsantrag zu o.g. Fallbeispiel eine kostenträchtige Überraschung erleben:
Leistungsbegrenzungen in den ersten vier Versicherungsjahren DFV – Zahnschutz Exklusiv
- im 1. Versicherungsjahr maximal € 1.000
- im 1.- 2. Versicherungsjahr zusammen max. € 2.000
- im 1.- 3. Versicherungsjahr zusammen max. € 3.000
- im 1.- 4. Versicherungsjahr zusammen max. € 4.000
Schlechte Versicherungsvergleiche können teuer werden
Reicht der Kunde z.B. im 1. oder 2. Versicherungsjahr die o.g. Rechnung über die Restkosten in Höhe von € 3.151 bei der DFV ein, bleibt – nach Abzug der Höchsterstattung von € 1.000 bzw. € 2.000 – auf einem Betrag von € 2.151 bzw. € 1.151 sitzen.
Im Falle einer Zahnarztrechnung für eine Teleskop-Brücke im Oberkiefer könnte die Überraschung schnell in Zorn übergehen. Für eine Teleskop-Brücke mit 2 Implantaten als Ankerpfeiler und meist teurem Knochenaufbau fallen schnell Kosten in Höhe von € 6.500 an.
Bei einem solchen Fall werden selbst im 4. Versicherungsjahr genau € 2.500 nicht erstattet. Keine Leistungsbegrenzung hat der versicherte Kunde erst nach einer Vertragsdauer von 5 Jahren.
Testsieger mit Lücken
Besonders ärgerlich wird es für nicht aufgeklärte Kunden, wenn eine Versorgung mit mehreren Implantaten dringend angeraten ist. Das geschieht nicht selten bei der Sanierung maroder Gebisse und mit vielen Zahnlücken. Wer davon betroffen ist, sollte eine wichtiges Detail in den Tarifbedingungen des Testsiegers kennen:
Anzahl der erstattungsfähigen Zahnimplantate insgesamt begrenzt auf
- ein Implantat je Versicherungsjahr oder
- zwei Implantate in einem Versicherungsjahr, soweit im zurückliegenden Versicherungsjahr
- keine Leistungen für Zahnimplantate in Anspruch genommen wurden,
- und insgesamt auf fünf Implantate pro Kiefer für die gesamte Vertragslaufzeit.
Mehr als zwei Implantate inklusive Suprakonstruktionen (z.B. Kronen) werden beim Testsieger nicht erstattet. Wer mehr Implantate in diesem Zeitraum setzen lässt, muss die Kosten der Implantate 3, 4, 5 usw. selbst tragen.
Finanztest mit praxisfernen Testkriterien
Tatsache ist, dass Finanztest gerade Leistungen für Implantate kritisch bewertet (15% Gewichtung). Das hat Finanztest auch schon im Vergleich von Zahnzusatzversicherungen in 2014 getan. Seinerzeit hatte der DFV-Tarif u.a. wegen seiner umfassenden Leistungen für Implantate den Sieg davon getragen.
Wir fragen bei Finanztest nach
Unsere Anfrage bei Finanztest, wie es denn sein könne, dass ein Tarif mit deutlich schlechteren Leistungsbedingungen bei Implantaten die identische Bewertung erhält, die schon sein (besserer) Vorgängertarif erhalten hat, wurde wie folgt beantwortet:
„Unsere Mindestanforderungen verlangen, dass alle fünf Jahre mindestens zwei Implantate im Kalenderjahr erstattet werden. … Weiter fordern wir, dass in den übrigen Jahren ein Implantat pro Jahr genügt. … Der Tarif „DFV ZahnSchutz Exklusiv“ wurde also korrekt im Leistungsbereich Implantate mit sehr gut bewertet.“
In der Realität können Zahnärzte wenig Rücksicht darauf nehmen, ob Zahnzusatzversicherungen Einschränkungen haben, wie viele Implantate und in welchem Zeitraum diese eingesetzt werden müssen. Ein kleiner Eingriff kann durchaus mal für eine Weile verschoben werden. Bei Befunden, welche die Gesundheit gefährden und zu großen Folgeschäden führen können (Stichwort: Knochenabbau im Kiefer aufgrund drastischer Parodontitis), wird der Zahnarzt auf schnelle Behandlung drängen.
Die Testkriterien von Finanztest sind für viele Tarife leicht zu erreichen. Für uns ein weiteres Argument dafür, dass Finanztest ein Interesse daran hat, möglichst viele Tarife mit „sehr gut“ auszuzeichnen, wie wir oben bereits angeführt haben.
Genau hinschauen – bei Angeboten und bei Finanztest
„Genau hinschauen lohnt sich. Werbung für Zahnversicherungen begegnet Kunden auf Schritt und Tritt. Wer einfach beim erstbesten Angebot zugreift, kann im Leistungsfall eine unangenehme Überraschung erleben.“ (Finanztest – 11-2016 – Seite 60)
Dieses Zitat sollte der Leser stets bei Vergleichen und Produkttests von Finanztest beherzigen. Wer sich auf solche Testsiegel-Promotion-Vergleiche verlässt, wird immer wieder Überraschungen erleben.
Finanztest haftet nicht für oberflächliche Vergleiche
Für finanzielle Nachteile, die ein Finanztest-Leser durch einen fehlerhaften oder oberflächlichen Vergleich erleiden muss, haftet Finanztest übrigens nicht. Mit den üblichen Hinweisen enthaftet sich die Tester. Kritische Kollegen kennen die üblichen Argumente von Finanztest. Man könne sich auch mal irren. Jeder Antragsteller müsse sich selbst von den konkreten Leistungen vor Antragstellung überzeugen. Und man falle auch nicht unter das Versicherungsvermittlergesetz, weil man ja kein Versicherungsvermittler sei.
Schon aus diesem Grund lautet meine abschließende Empfehlung:
Zu Risiken und Nebenwirkungen bei Versicherungsvergleichen …
… frage einen Spezialisten oder Versicherungsmakler.
Anmerkung des Autors:
Der Tarif „Zahnschutz Exklusive“ der DFV ist für uns insgesamt ein sehr leistungsstarker Tarif. Die Kostenerstattungen über alle Teilbereiche wie Prophylaxe, Zahnbehandlung, Zahnersatz und Implantate ist überdurchschnittlich hoch. Zudem gibt es keine Wartezeiten (üblich: Zahnbehandlung: 3 Monate / Zahnersatz: 8 Monate) Es müssen aber auch die hohen Kosten der umfassenden Implantatsversorgung und deren bedingungsmäßige Einschränkungen bei Erstattungen realisiert werden. Erst dann könnte dieser Tarif der richtige sein.
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